Direkt zu den Inhalten springen

Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG)

Pflege

Stellungnahme des SoVD anlässlich der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 10. Mai 2023 zu den Vorlagen

Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz - PUEG) / BT-Drucksache 20/6544

Antrag der Fraktion AfD: Pflegeversicherung – Bürokratie abbauen, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlasten / BT-Drucksache 20/4669

Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Gute Pflege stabil finanzieren / BT-Drucksache 20/6546

1. Zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz - PUEG)

a) Zusammenfassung des Gesetzentwurfes

Mit dem Gesetzentwurf sollen Anpassungen in der Pflegeversicherung vorgenommen werden auf der Basis von im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege. Außerdem sollen den Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 zu den Aktenzeichen 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16 und 1 BvR 2824/17 entsprochen werden, bis spätestens zum 31. Juli 2023 das Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf die Berücksichtigung des Erziehungsaufwandes von Eltern verfassungskonform auszugestalten. Dazu sieht der Entwurf die folgenden wesentlichen Maßnahmen vor:

  • Anhebung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte sowie eine Rechtsverordnungsermächtigung für die Bundesregierung zur kurzfristigen Anpassung des Beitragssatzes,
  • Entlastung kinderreicher Familien bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung bei gleichzeitiger Erhöhung des Kinderlosenzuschlages,
  • Anpassung der Rückzahlungsmodalitäten der Liquiditätshilfe des Bundes,
  • Erhöhung des Pflegegeldes und der ambulanten Sachleistungsbeträge jeweils zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent,
  • Erhöhung der Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen in der vollstationären pflegerischen Versorgung ab dem 1. Januar 2024 um 5 bis 10 Prozent,
  • Verschiebung der für das Jahr 2024 vorgesehenen Leistungsdynamisierung,
  • Verpflichtung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bis zum 31. Mai 2024 Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung unter Beteiligung weiterer Bundesministerien vorzulegen,
  • Anpassung der Regelungen zum Pflegeunterstützungsgeld,
  • Einführung eines neuen Leistungsanspruches zur Gewährleistung der Versorgung Pflegebedürftiger bei Aufenthalt der Pflegeperson in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen ab dem 1. Juli 2024,
  • Stärkung der Transparenz im Qualitätsausschuss Pflege und die Einrichtung einer Referentenstelle zur Unterstützung der Betroffenenorganisationen.

Nicht mehr in dem Gesetzentwurf enthalten ist eine Zusammenführung der bislang separaten Beträge für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Jahresbetrag.

b) Gesamtbewertung des Gesetzentwurfes

Durch den demografischen Wandel und die explodierenden Pflegekosten (infolge notwendiger Anpassungen der Personalkosten und des inflationären Sachkostenanstieges) steigt der finanzielle Druck auf die soziale Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherung hat nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV) zum Jahresende 2022 ein Defizit von rund 2,25 Milliarden Euro eingefahren. Die Liquiditätsreserve lag zum Jahresende bei rund 5,7 Milliarden Euro und damit 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Ohne Reformen droht für das Jahr 2023 bereits jetzt ein erneutes Defizit in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Trotz der mehr als angespannten Situation in der Langzeitpflege beschränkt sich der Entwurf vor allem auf kurzfristig wirkende Vorschläge. Grundlegende Lösungen zur langfristigen Stabilisierung der pflegerischen Versorgung werden nicht angepackt, sondern vertagt. Zentrale Aspekte des Koalitionsvertrages und vorgesehene Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege werden nicht umgesetzt.

Das gilt insbesondere für die Finanzierung versicherungsfremder, insbesondere pandemiebedingt entstandener, Kosten aus Steuermitteln des Bundes. Stattdessen belastet der Gesetzentwurf mit der geplanten Anhebung der Beitragssätze ausschließlich die Beitragszahler*innen, um vornehmlich das drohende Milliardendefizit für das Jahr 2023 auszugleichen. Dass die Bundesregierung künftig per Rechtsverordnung am Parlament als Gesetzgeber vorbei den Beitragssatz in der Pflegeversicherung untergesetzlich anpassen können soll, halten wir für unangebracht, unnötig und undemokratisch. Die vorgesehenen Anpassungen der ambulanten Geld- und Sachleistungen sowie der Leistungszuschüsse zu den Eigenanteilen in der stationären Pflege sind zwar prinzipiell richtig, kommen zum 1. Januar 2024 aber zu spät und können den immensen Kaufkraftverlust der Pflegeleistungen allein durch die jüngste Inflation in 2022 und 2023 nicht annähernd ausgleichen.

Die Folge solch unzureichender Leistungsanpassungen sind steigende Eigenanteile im stationären und spürbare Leistungskürzungen im häuslichen Bereich. Zugleich ist mit der Streichung des gemeinsamen Jahresbetrages eine zentrale Entlastungsregelung, die noch im Referentenentwurf vorgesehen war, entfallen. Vor diesem Hintergrund vermögen die wenig verbliebenen, begrüßenswerten Einzelmaßnahmen, wie die Ausweitung des Pflegeunterstützungsgeldes, der Leistungsanspruch zur Pflege bei stationärer Reha der Pflegeperson und die Stärkung der Transparenz der Pflegebetroffenenvertretung in der Selbstverwaltung, das negative Gesamtfazit (siehe auch unten d.) nicht entscheidend verbessern. Trotz ihrer bedeutenden Rolle als Teil der Daseinsvorsorge zur Versorgung von Millionen von Pflegebedürftigen in Deutschland schenkt die Bundesregierung der Pflege – insbesondere der Langzeitpflege – nach wie vor nicht die angemessene und notwendige Aufmerksamkeit.

c) Zu den einzelnen Regelungskomplexen des Gesetzentwurfs

Beitragserhöhung ohne Beteiligung des Bundes

Zu Artikel 1 Nr. 20 b (§ 55 Absatz 1 Satz 1 NEU): Zur Absicherung bestehender Leistungsansprüche der sozialen Pflegeversicherung und der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen soll der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttolohns angehoben werden.

SoVD-Bewertung: Die Stabilisierung der Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung darf nicht allein durch Erhöhung des Beitragssatzes zulasten der Versicherten erfolgen. Der Bund muss seiner Finanzierungsverantwortung bei den versicherungsfremden Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nachkommen und endlich seinen Teil zur Stabilisierung der Finanzsituation leisten.

Durch den demografischen Wandel und die explodierenden Pflegekosten (infolge notwendiger Personalkosten und inflationären Sachkostenanstieges) steigt der finanzielle Druck auf die soziale Pflegeversicherung kontinuierlich. Die Pflegeversicherung hat nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV) zum Jahresende 2022 ein Defizit von rund 2,25 Milliarden Euro eingefahren. Die Liquiditätsreserve lag zum Jahresende bei rund 5,7 Milliarden Euro und damit 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Ohne Reformen droht für das Jahr 2023 bereits jetzt ein erneutes Defizit in Höhe von 2,4 Milliarden. Der Bund leistet Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung. Im Jahr 2020 wurde erstmals seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 überhaupt ein Bundeszuschuss im Kontext der Corona-Pandemie in Höhe von 1,8 Milliarden Euro an diese gewährt.

Zuvor erfolgte die Finanzierung ausschließlich durch Beitragszahlungen im Umlageverfahren. Erst seit dem 1. Januar 2022 erhält die jüngste Säule der Sozialversicherung dauerhaft einen Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr. Bundeszuschüsse aus Steuermittel werden pauschal für sogenannte versicherungsfremde Leistungen gezahlt. Das sind Leistungen der Sozialversicherung, die nicht zu deren originären Aufgaben gehören, sondern familienpolitisch motiviert oder von gesamtgesellschaftlichem Interesse sind. Im Falle der Pflegeversicherung sind das beispielsweise Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige, Lohnersatzleistungen wie das Pflegeunterstützungsgeld sowie die pandemiebedingten Mehrbelastungen der Pflegeversicherung.

Sie sind aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzieren. Bislang mussten die Versicherten mit ihren Beitragsgeldern (bis 2020 ausschließlich) diese finanzieren. Allein die pandemiebedingten Kosten der sozialen Pflegeversicherung, die bis heute noch nicht erstattet wurden, belaufen sich auf rund 5,5 Milliarden Euro. Im Koalitionsvertrag haben die Koalitionspartner die Finanzierung eben jener Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen und coronabedingte Kosten durch den Bund längst angekündigt. Die Umsetzung brächte eine wichtige und spürbare Kostenentlastung. Vor diesem Hintergrund wäre eine Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung grundsätzlich nachvollziehbar, wenn sich der Bund zeitgleich und seiner Finanzierungsverantwortung entsprechend an der Stabilisierung der Finanzsituation durch die Finanzierung der Kosten der versicherungsfremden Leistungen beteiligen würde. Allerdings wäre dann eine Beitragserhöhung kaum mehr erforderlich.

Keine Beitragserhöhung am Gesetzgeber vorbei

Zu Artikel 1 Nr. 20 b (§ 55 Absatz 1 Satz 2 NEU): Zur mittelfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung soll die Bundesregierung ermächtigt werden, ohne Beteiligung des Bundestages als Gesetzgeber durch Rechtsverordnung den Beitragssatz anpassen zu können. Die Anpassung darf nicht höher als 0,5 Beitragssatzpunkte über dem jeweils zuletzt gesetzlich festgesetzten Beitragssatz liegen.

SoVD-Bewertung: Der SoVD protestiert aufs Schärfste gegen diese Regelung, wodurch die Bundesregierung am Bundestag als zuständigen Gesetzgeber vorbei durch einfache, untergesetzliche Rechtsverordnung den gesetzlich festzulegenden Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung erhöhen kann. Für eine solche Ermächtigung besteht weder ein Grund noch Anlass. Zum einen dient die Liquiditätsreserve der sozialen Pflegeversicherung zum Ausgleich eines kurzfristig zusätzlichen Finanzierungsbedarfes. Entsprechend sollte die gesetzlich vorgesehene Höhe der Liquiditätsreserve weder unverhältnismäßig herabgesengt noch unterschritten werden. Trotzdem lag sie allein zum Jahresende 2022 bei rund 5,7 Milliarden Euro und damit 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Eine Unterschreitung gilt es künftig zu vermeiden und vorzubeugen. Zum anderen hat gerade der Gesetzgeber während der Corona-Pandemie eindrücklich bewiesen, dass gesetzliche Regelungen von erheblicher gesamtgesellschaftlicher Bedeutung im Falle höchster Dringlichkeit in kürzester Zeit umgesetzt und verabschiedet werden können. Dies sollte auch bei erheblich drohender Zahlungsunfähigkeit der sozialen Pflegeversicherung der Fall sein. Überdies würde bei zuverlässiger Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen durch Steuermittel die Sorge vor einem drohenden Liquiditätsengpass der sozialen Pflegeversicherung deutlich in die Ferne rücken.

Weiterhin Rückforderung des Bundesdarlehens

Zu Artikel 1 Nr. 26 b (§ 61a Absatz 2 NEU): Die Rückzahlung der Liquiditätshilfe des Bundes an den Ausgleichsfonds von 1 Milliarde Euro soll nunmehr bis spätestens zum 31. Dezember 2023 zur Hälfte erfolgen. Die verbleibenden 500 Millionen Euro werden bis spätestens zum 31. Dezember 2028 zurückgezahlt. Ursprünglich sollte dies in voller Höhe bis Ende 2023 erfolgen.

SoVD-Bewertung: Anstelle einer angemessenen Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen im Jahr 2022 gewährte der Bund zur Reduzierung des Jahresdefizits der sozialen Pflegeversicherung ein Darlehen für dieses Jahr in Höhe von 1 Milliarde Euro, welches bereits im Folgejahr 2023 getilgt werden sollte. Mit dem Darlehen wurde lediglich ein Teil des Gesamtkostendefizits in das Folgejahr verschoben. Trotz der prekären Finanzlage und des erneut drohenden Defizits im Jahr 2023 besteht der Bund weiterhin auf die Rückzahlung der Liquiditätshilfe an den Ausgleichsfonds in Höhe von 1 Milliarde Euro – immerhin „nur“ noch in Höhe der Hälfe der Liquiditätshilfe bis Ende des defizitären Jahres 2023. Der Rest soll ebenfalls bis spätestens 31. Dezember 2028 zurückgezahlt werden. Geboten wäre der Verzicht auf die Rückzahlung der Summe und eine „Umwidmung“ des Darlehens in eine Teilleistung des Bundes für die versicherungsfremden Leistungen für das Jahr 2022.

Entlastung kinderreicher Familien richtig finanzieren

Zu Artikel 1 Nr. 26 b (§ 61a Absatz 2 NEU): Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. April 2022 (1 BvL 3/18, 1 BvR 2824/17, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 717/16) zur Berücksichtigung des Erziehungsaufwandes von Eltern im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung wird umgesetzt. Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung mit mehreren Kindern werden ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet. Nicht berücksichtigungsfähig sind Kinder, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben. Ab dem fünften Kind bleibt es bei einer Entlastung in Höhe eines Abschlages von insgesamt bis zu 1,0 Beitragssatzpunkten. Der Abschlag gilt bis zum Ablauf des Monats, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat. Dafür wird der Kinderlosenzuschlag um 0,25 Beitragssatzpunkte auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben. Für Mitglieder mit einem Kind gilt weiterhin der reguläre Beitragssatz.

SoVD-Bewertung: Die Vorgaben des BVerfG sind umzusetzen. Es betont, dass bei der kinderbedingten besonderen finanziellen und sonstigen Belastung wesentliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder auch innerhalb der Gruppe beitragspflichtiger Eltern bestehen. So steige der Umfang des Realaufwandes wie derjenige der Opportunitätskosten in Abhängigkeit von der Kinderzahl substantiell an, so das BVerfG. Vor diesem Hintergrund stößt die Begrenzung der Entlastung nur bis einschließlich zum fünften Kind auf Unverständnis und verfassungsrechtliche Bedenken. Die Begründung, eine weitere Absenkung hätte zur Folge, dass der Pflegeversicherungsbeitrag so niedrig wäre, dass die Höhe des Beitrags nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der versicherten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit stünde, widerspricht den grundlegenden Prinzipien der solidarischen sozialen Pflegeversicherung.

Außerdem rücken die Kinder als Beitragszahlende nach. Auch die Zahl der betroffenen kinderreichen Familien mit fünf und mehr Kindern dürfte erheblich höher liegen, wenn gerade Familien mit Kindern über dem 25. Lebensjahr berücksichtigt werden. Die Ausnahmen treffen vor allem die Rentner*innen mit Kindern besonders schwer. Sie werden durch das Gesetz in doppelter Weise belastet: Zum einen werden die um Jahre zurückliegenden Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt. Zum anderen müssen Rentern*innen den – nunmehr steigenden – Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung in voller Höhe selbst tragen.

Vor diesem Hintergrund fordern wir vom SoVDim Interesse der Renter*innen,

  • die Berücksichtigung des Erziehungsaufwandes von Eltern im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung auch für Kinder, die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben und
  • die paritätische Beteiligung der Deutsche Rentenversicherung an den Beitragszahlungen ihrer Rentner*innen zur Pflegeversicherung.

Auch die alleinige Refinanzierung durch die Erhöhung des Beitragszuschlags für Kinderlose sehen wir problematisch. Dem Gesetzgeber steht es laut BVerfG frei, sich den weitergehenden Differenzierungsspielraum nicht oder nicht vollständig durch die „Umverteilung der Beitragslast“ von Eltern mit mehr Kindern auf Eltern mit weniger Kindern und Kinderlose, sondern (anteilig) auf andere Weise, nämlich durch steuerfinanzierte Bundeszuschüsse oder auch sonstige beitrags- und leistungsseitige Instrumente zu verschaffen. Es ist bedauerlich und bezeichnend zugleich, dass der Gesetzgeber nicht den Weg des steuerfinanzierten Bundeszuschusses wählt.

Jährliche Dynamisierung der Leistungen notwendig

Zu Artikel 1 Nr. 14 (§ 30 NEU): Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert – zum 1. Januar 2025 um 5 Prozent, zum 1. Januar 2028 in Höhe des kumulierten Anstiegs der Kerninflationsrate in den letzten drei Kalenderjahren, für die zum Zeitpunkt der Erhöhung die entsprechenden Daten vorliegen, nicht jedoch stärker als der Anstieg der Bruttolohn- und Gehaltssumme je abhängig beschäftigten Arbeitnehmenden im selben Zeitraum. Für die langfristige Leistungsdynamisierung will die Bundesregierung im Rahmen ihrer Überlegungen zur langfristigen Finanzierung der Pflegeversicherung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten.

SoVD-Bewertung: Infolge (bis 2008) versäumter und späterer unzureichender Anpassungen der Pflegeversicherungsleistungen an die Preisentwicklung der vergangenen Jahre konnte ein erheblicher Teil der Wertverluste der Pflegeversicherungsleistungen seit 1995 nach wie vor nicht ausgeglichen werden. Die nach geltendem Recht für das Jahr 2024 vorgesehene allgemeine und dringend notwendige Leistungsdynamisierung wird findet nicht statt und wird verschoben. Eine Dynamisierungsautomatik in Form einer im Gesetz verankerten, automatisch wirkenden Anpassung des Pflegegeldes und der Pflegesachleistung ist grundsätzlich richtig, um den fortschreitenden Wertverlust der Pflegeversicherungsleistungen entgegenzuwirken und so das mit Pflegebedürftigkeit verbundene Armutsrisiko zu mindern. Sie muss aber auch eingehalten werden. Die derzeitig sprunghafte Inflation verdeutlicht zudem, dass ein Drei-Jahres-Rhythmus für die Dynamisierung ungeeignet ist, um auf die zwischenzeitlichen Veränderungen reagieren zu können. Es kommt zu steigenden Pflegekosten bei gleichbleibenden Leistungssummen der sozialen Pflegeversicherung als Teilkostenversicherung. Die Folge sind steigende Eigenanteileim stationären und echte Leistungskürzungen im ambulanten Bereich zulasten der Pflegebedürftigen. Notwendig ist eine gesetzlich verankerte, jährlich automatisch wirkende Dynamisierung der Pflegeleistungen. Als Bezugsgröße sollte die Veränderung der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV gelten. Da diese sich an der Bruttolohnentwicklung orientiert, wäre so berücksichtigt, dass der Wertverlust der Pflegeversicherungsleistungen im Dienstleistungssektor Pflege maßgeblich mit der Entwicklung der Lohnkosten verknüpft ist. Die Funktion, den Wert von Sozialversicherungsleistungen zu erhalten, hat die Bezugsgröße nach § 18 SGB IV bereits für Teile des SGB V.

Vorschläge für eine stabile Finanzierung

Zu der Begründung A. II. (Seite 38): Das Bundesministerium für Gesundheit wird bis zum 31. Mai 2024 Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vorlegen. Hierbei soll insbesondere auch die Ausgabenseite der sozialen Pflegeversicherung betrachtet werden. Bei der Erarbeitung der Empfehlungen werden das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beteiligt.

SoVD-Bewertung: Deutschland braucht ein gerechtes und leistungsfähig finanziertes Pflegesystem. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung zur Absicherung der Pflegerisiken für die gesamte Bevölkerung auf der Grundlage der sozialen Pflegeversicherung. Sie kann gewährleisten, dass alle Bürger*innen den gleichen Versicherungsschutz genießen und unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zu den nötigen Leistungen erhalten. Dazu müssen heute bereits erste Weichen gestellt werden. Bis zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung brauchen wir einen umfassenden Morbiditäts- und Finanzausgleichzwischen privater und sozialer Pflegeversicherung sowie eine Anhebung der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze zumindest auf das Niveau der Deutschen Rentenversicherung. Die Pflegeversicherung muss auch künftig solidarisch aus Versichertenbeiträgen und Steuermitteln finanziert werden. Bei der Erhebung der Beiträge muss die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit auch weitere Kapitaleinkünfte herangezogen werden, wie Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung sowie Kapitaleinkommen. Den Aus- bzw. Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der Pflegeversicherung lehnen wir ab. Sie ist nicht für jeden geeignet oder bezahlbar. Gerade für Betroffene mit einem begrenzten Einkommen oder niedriger Rente ist es absehbar, dass die Beiträge für eine private Zusatzversicherung im Alter zu hoch sind. Daran vermögen auch steuerliche Anreize kaum etwas zu ändern.

Ambulante Leistungen angemessen erhöhen

Zu Artikel 2 Nr. 4 und 5 (§§ 36 Absatz 3 und § 37 Absatz 1 Satz 3 NEU): Um die häusliche Pflege zu stärken und angesichts lohnbedingt steigender Pflegevergütungen ambulanter Pflegeeinrichtungen werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 jeweils um 5 Prozent erhöht.

SoVD-Bewertung: Die Erhöhung des Pflegegeldes und der ambulanten Sachleistungsbeträge ist grundsätzlich notwendig und zu begrüßen, kommt aber zum 1. Januar 2024 zu spät und fällt in Höhe von lediglich 5 Prozent zu gering aus, um den zwischenzeitlichen Kaufkraftverlust der letzten Jahre auch nur annähernd zu kompensieren. Eine unzureichende Anpassung bedeutet in der Realität Leistungskürzungen und den unfreiwilligen Verzicht auf erforderliche Pflege für die Pflegebedürftigen gerade im ambulanten Bereich. Notwendig ist eine o.g. gesetzlich festgeschriebene, jährlich automatisch erfolgende Dynamisierung aller Pflegeleistungen.

Nur kurzfristige Entlastung durch Zuschüsse zu Eigenanteilen

Zu Artikel 2 Nr. 12 (§ 43 c NEU): Zur weiteren Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile bei vollstationärer Pflege werden die zum 1. Januar 2022 eingeführten und nach Verweildauer gestaffelten prozentualen Leistungszuschläge für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 ab dem 1. Januar 2024 abermals wie folgt erhöht:

  • Bei einer Verweildauer von unter einem Jahr um 10 Prozent auf 15 Prozent,
  • Bei einer Verweildauer von mehr als zwölf Monaten um 5 Prozent auf 30 Prozent,
  • Bei einer Verweildauer von mehr als 24 Monaten um 5 Prozent auf 50 Prozent,
  • Bei einer Verweildauer von mehr als 36 Monaten um 5 Prozent auf 75 Prozent.

SoVD-Bewertung: Der einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) liegt nach aktuellen Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) zum 1. Januar 2023 bundesweit ohne Zuschüsse im Durchschnitt bei 1.139 Euro (vor zwei Jahren noch bei 831 Euro) und variiert je Bundesland erheblich (von einem durchschnittlichen EEE in Höhe von 901 Euro in Sachsen-Anhalt bis hin zu 1.446 Euro in Baden-Württemberg). Eine Reduzierung der Kostenbelastung Pflegebedürftiger bei den pflegebedingten Eigenanteilen ist dringend notwendig. Die zusätzlichen Anpassungen entlasten wenigstens die finanziellbesonders belasteten Langzeitpflegebedürftigen erheblich. Umso länger eine stationäre Vollzeitpflege beansprucht wird, je höher ist der prozentuale Leistungszuschlag und reduziert die finanzielle Belastung spürbar. Damit werden auch regional bedingte Unterschiede bei dem EEE durch die prozentuale Regelung berücksichtigt.

Doch es zeigt sich, dass der kostenentlastende Effekt der Leistungszuschüsse nur von kurzer Dauer ist. Es bleibt dabei, dass prozentuale Leistungszuschüsse nicht vor weiter steigenden Pflegekosten und Eigenanteilen schützen. Insoweit kann von einer „Begrenzung“ des pflegebedingten Eigenanteils keinesfalls die Rede sein. Angesichts des demografischen Wandels und notwendiger Mehrausgaben, etwa für eine angemessene Bezahlung beruflich Pflegender, wird damit das Problem steigender Eigenanteile erneut lediglich vertagt. Das Kostenrisiko - v.a. im ersten Jahr - verbleibt damit weiter bei den Pflegebedürftigen. Angesichts einer durchschnittlichen Verweildauer in Pflegeheimen zwischen einem und zweieinhalb Jahren (je nach Statistik) ist dies überaus ernüchternd. Die Eigenbeteiligung ohne Zuschüsse beläuft sich in der stationären Versorgung auf durchschnittlich 2.468 Euro monatlich (Quelle: vdek 1. Januar 2023) und übersteigt auch bei einem Leistungszuschuss von derzeit 70 Prozent mit einem EEE von 1.671 Euro monatlich im Bundesdurchschnitt die Durchschnittsrente in Deutschland von rund 1.276 Euro (Männer) bzw. 1.060 Euro (Frauen) (Quelle: DRV, Aktuelle Daten 2023) bei weitem. Diese Summe ist für viele pflegebedürftige Rentner*innen nicht mehr aus ihrer Rente finanzierbar.

Wir vom SoVD setzen uns für eine solidarische Pflegevollversicherung mit Sachleistungscharakter ein. Sie trägt die im Einzelfall zur Pflege, Betreuung und Teilhabe erforderlichen Aufwendungen und sichert damit das Pflegerisiko vollständig ab. Umfasst sind dabei alle Leistungen zur Pflege und Betreuung, die notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig sind. Die Kosten übernimmt die Solidargemeinschaft. Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII werden damit weitgehend entbehrlich. Bis zur Einführung der Pflegevollversicherung ist eine angemessene Begrenzung der Eigenanteile notwendig (etwa in Form des sogenannten Sockel-Spitze-Tausches), um die pflegebedürftigen Menschen finanziell zu entlasten und vor weiter steigenden Pflegekosten zu schützen.

Neben den steigenden EEE haben sich die Investitionskosten in der stationären Pflege in den letzten Jahren zu einem großen Kostenfaktor für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entwickelt. Sie machen mittlerweile mit 472 Euro (Quelle: vdek) im Bundesdurchschnitt einen erheblichen Anteil der finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen aus. Die Länder sind nach § 9 SGB XI verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlich pflegerischen Versorgungsstruktur. Dies umfasst auch die finanzielle Unterstützung bei den betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen von Pflegeeinrichtungen. Anstatt ihrer Verantwortung bei der Finanzierung der Pflegeeinrichtungen nachzukommen, werden die Investitionskosten – mit Billigung der Länder – von den Pflegeeinrichtungen den Pflegebedürftigen zusätzlich in Rechnung gestellt. Die Länder müssen endlich Verantwortung übernehmen. Dies würde nebenbei zu mehr Kontrolle und Aufsicht über die Höhe der geltend gemachten Investitionskosten führen, wodurch letztlich die Investitionskosten insgesamt gesenkt werden könnten.

Pflegeunterstützungsgeld als Jahresanspruch

Zu Artikel 2 Nr. 13 (§ 44a NEU): Das Pflegeunterstützungsgeld soll künftig pro Kalenderjahr statt einmalig für bis zu zehn Arbeitstage für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden können. Die Änderung dient dem Ziel der weiteren Unterstützung und Verbesserung des häuslichen Pflegearrangements und soll Beschäftigte, die sich neben ihrer Beschäftigung um pflegebedürftige nahe Angehörige kümmern, in einer akut aufgetretenen Pflegesituation entlasten.

SoVD-Bewertung: Wir begrüßen die Klarstellung zum Pflegeunterstützungsgeld. Nach derzeitiger Rechtslage ist der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld auf „insgesamt zehn Arbeitstage“ begrenzt. Die Änderung stellt klar, dass es sich bei dem Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld grundsätzlich um einen Jahresanspruch handelt. Dies gilt auch, wenn mehrere Beschäftigte das Recht auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen geltend machen.

Sicherstellung der Pflege bei Reha der Pflegeperson

Zu Artikel 2 Nr. 7 (§ 42a NEU): Es wird ein neuer Leistungsanspruch zur Gewährleistung der Versorgung Pflegebedürftiger bei Aufenthalt der Pflegeperson in einer stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung ab dem 1. Juli 2024 eingeführt. Danach besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Mitaufnahme des Pflegebedürftigen in die stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung der Pflegeperson.

SoVD-Bewertung: Der neue Leistungsanspruch ist ausdrücklich zu begrüßen. Oftmals sind Pflegepersonen durch die Pflege An- und Zugehöriger faktisch daran gehindert, den Anspruch auf Rehabilitation geltend zu machen. Der neue Leistungsanspruch kann die Versorgung der Pflegebedürftigen während dieser Zeit gewährleisten und gleichzeitig die Rehabilitation der Pflegeperson ermöglichen.

Stärkung der Transparenz und Betroffenenvertretung

Zu Artikel 1 Nr. 39 (§ 113b Absatz 3 a und Absatz 6 NEU): Die beschlussfassenden Sitzungen des Qualitätsausschusses und des erweiterten Qualitätsausschusses sind künftig in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nicht öffentlichen Beratungen des Qualitätsausschusses und des erweiterten Qualitätsausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, bleiben einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich. Zudem ist ab dem 1. September 2023 dauerhaft zusätzlich eine Referent*innenstelle zur Unterstützung der nach § 118 SGB XI maßgeblichen Interessensvertretungen beim Qualitätsausschuss Pflege einzurichten. Die Interessensvertretungen haben das Recht, die Stelle zu besetzen und den Arbeitsort in Abstimmung mit der Geschäftsstelle zu bestimmen.

SoVD-Bewertung: Der Qualitätsausschuss Pflege ist v.a. mit der Entwicklung von neuen Verfahren zur Qualitätsprüfung und Qualitätsberichterstattung beauftragt. Trotz dieser hohen Bedeutung für die pflegerische Versorgung sind die Beratungen und Beschlussfassungen im Qualitätsausschuss und im erweiterten Qualitätsausschuss gegenwärtig nicht öffentlich. Um Transparenz über die Arbeit des Qualitätsausschusses zu schaffen, ist es richtig, den bisherigen strikten Grundsatz der Vertraulichkeit aufzugeben. Dies schafft die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, Entscheidungsprozesse besser nachvollziehen zu können. Zur Sicherstellung der demokratischen Legitimation hat die Öffentlichkeit Anspruch auf Information, Kontrolle und Kritik. Es bestehen keine Gründe, nach denen die Sitzungen einschließlich der hierzu gefertigten Niederschriften nicht öffentlich sein dürften. Geschützte Denk- und Kommunikationsbereiche sind im Übrigen weiterhin in den vorbereitenden Arbeitsgruppen vorhanden. Damit folgt der Qualitätsausschuss dem Gemeinsamen Bundesausschuss, dessen Beratungen ebenfalls nach § 91 Abs. 7 SGB V in der Regel zurecht öffentlich sind.

An den Beschlüssen und Entscheidungen des Qualitätsausschusses und des erweiterten Qualitätsausschusses wirken nach § 118 SGB XI die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen ohne Stimmrecht beratend mit. Als einer der maßgeblichen Verbände begrüßt der SoVD die Einrichtung einer Referent*innenstelle ausdrücklich. Sie dient zur inhaltlichen und organisatorischen Unterstützung bei der Wahrnehmung und Umsetzung der im gesetzlichen Auftraghandelnden Betroffenenorganisationen, ähnlich der Stabstelle Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss. Entsprechend ist die nähere Ausgestaltung der Modalitäten der Referent*innenstelle zurecht den Betroffenenverbänden überlassen.

Gemeinsames Pflegebudget entfällt

Ursprünglich sah der Referentenentwurf des PUEG vor, die bisher separat vorgesehenen Leistungsbeträge für Leistungen der Verhinderungspflege und für Leistungen der Kurzzeitpflege mit Wirkung zum 1. Januar 2024 in einen neuen Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammen zu führen. Damit sollte für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege künftig ein Gesamtleistungsbetrag zur Verfügung stehen, den die Anspruchsberechtigten nach ihrer Wahl flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Dieser hätte in Höhe von bis zu insgesamt 3.386 Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung gestanden. Die Regelungen für ein gemeinsames Pflegebudget wurde jedoch aus dem Entwurf gestrichen.

SoVD-Bewertung: Die Streichung der Regelungen für ein gemeinsames Pflegebudget ist außerordentlich bedauernswert. Seit Jahren setzt sich der SoVD für die Einführung eines flexiblen Pflegebudgets ein. Die Zusammenlegung der Verhinderungs- und der Kurzzeitpflege zu einem Jahresbudget hätte eine flexible und bedarfsgerechte Versorgung bei gleichzeitiger spürbarer Entlastung pflegender Angehöriger bedeutet. Die Streichung ist erkennbar allein haushaltspolitisch motiviert und den erwarteten Mehrausgaben geschuldet. Mit der Streichung des gemeinsamen Jahresbetrags ist eine zentrale Entlastungsregelung dieses Gesetzvorhabens entfallen.

Fazit zum Gesetzentwurf

Angesichts der erheblichen finanziellen Belastungen der Versicherten durch den Gesetzentwurf bei gleichzeitiger Vermeidung einer angemessenen steuerfinanzierten Beteiligung des Bundes an der Finanzierung fallen die wenigen positiven Regelungen des Gesetzentwurfs in einer Gesamtschau bedauerlicherweise kaum mehr spürbar ins Gewicht, sodass das Gesetz seinem Namen (Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz) nicht gerecht wird. Anstatt ausschließlich die Beitragszahlenden zu belasten, muss der Bund seiner Finanzierungsverantwortung endlich nachkommen und seinen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung mit Steuermitteln leisten. Im Hinblick auf die gegenwärtige und künftige Ausgestaltung der Pflegeversicherung hält der SoVD an einer solidarischen Finanzierung aus Beitragsgeldern und Steuerzuschuss weiterhin fest. Erneut bleibt die Regierung einer Gesamtlösung zur Zukunft der pflegerischen Versorgung in Deutschland schuldig. Es wird deutlich, dass die Langzeitpflege trotz der alarmierenden Situation nach wie vor keinen bedeutenden politischen Stellenwert in der Regierung einnimmt.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE

Unter Verweis auf den finanziellen Zustand der sozialen Pflegeversicherung bleibt die Bundesregierung nach Auffassung der Antragsteller*innen ein Konzept für eine nachhaltige und gerechte Finanzierung schuldig. Erforderlich sei eine finanzielle Sanierung der Pflegeversicherung, bessere Leistungen für Versicherte und bessere Löhne für die in der Pflege Beschäftigten. Die Antragstellenden fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der übergangsweise Steuermittel des Bundes einsetzt, die Beitragsbemessungsgrenze wie auch die Jahresarbeitsentgeltgrenze (Versicherungspflichtgrenze) abschafft, die Beitragspflicht auf alle Einkommensarten ausweitet, in einem ersten Schritt die private Pflegeversicherung in den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung einbezieht und erste Maßnahmen zur Einbeziehung der privat Pflegeversicherten in das System der sozialen Pflegeversicherung vorsieht. Des Weiteren sollen die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung genannten Leistungen um 20 Prozent (statt in der Regel 5 Prozent) erhöht und eine jährlich erfolgende Leistungsdynamisierung eingeführt sowie eine „Konzertierte Aktion Langzeitpflege“ gestartet werden, um Pflegeberufe attraktiver zu gestalten.

SoVD-Bewertung: Der SoVD teilt die Anliegen des Antrages weitestgehend. Ein Steuerzuschuss des Bundes in Höhe der versicherungsfremden Leistungen zur Pflegeversicherung ist systemgerecht und brächte eine spürbare Kostenentlastung. Die Beitragsbemessungsgrenze sollte zumindest auf das Niveau der Deutschen Rentenversicherung angehoben werden. Richtig ist auch eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze. Zurecht wird die Einbeziehung weiterer Einkommensarten in die Beitragspflicht gefordert. Bis zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung ist ein umfassender Morbiditäts- und Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflegeversicherung einzuführen. Die Pflegeversicherungsleistungen sind zum Ausgleich der (bis 2008) versäumten und späterer unzureichender Anpassungen an die Preisentwicklung der vergangenen Jahre nachzuholen und künftig jährlich dynamisch anzupassen. Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Attraktivität der Pflegeberufe werden befürwortet. Ergänzend wird auf die vorgenannten Ausführungen verwiesen.

Berlin, 8. Mai 2023

DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik