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Stellungnahme Referentenentwurf zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes

Behinderung

SoVD-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG)

1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs 

Ziel der Änderungen im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ist es, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dazu ist eine umfassende Barrierefreiheit eine wesentliche Voraussetzung. In der Realität stoßen aber viele Menschen mit Behinderungen nach wie vor auf physische oder kommunikative Hindernisse, die ihre Teilhabe erheblich erschweren oder gänzlich verhindern. 

Der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, für den privaten Bereich den Zugang zu privaten Gütern und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zu verbessern und im öffentlichen Bereich die bauliche und kommunikative Barrierefreiheit in Bundesbehörden und anderen öffentlichen Stellen des Bundes zu verbessern. 

Zur Ermöglichung eines besseren Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen sieht der Entwurf vor, das Prinzip der sog. „angemessenen Vorkehrungen“ auch im privaten Bereich zur Anwendung kommen zu lassen, so wie es im öffentlichen Bereich bereits der Fall ist. „Angemessene Vorkehrungen“ in diesem Sinne bedeuten, dass individuelle praktikable Lösungen gefunden werden sollen, ohne detaillierte Barrierefreiheitsvorschriften festzuschreiben. 

Des Weiteren soll ein Bundeskompetenzzentrum für Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit eingerichtet werden. Nach dem Entwurf soll auch das Benachteiligungsverbot gestärkt werden. Gegen öffentliche Stellen soll ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden können. Die Pflichten des Bundes zur Herstellung von Barrierefreiheit sollen gestärkt werden. 

Darüber hinaus soll nach dem Gesetzentwurf das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen gestärkt werden, indem eine Klarstellung im Gesetz vorsieht, dass dieser unabhängig, ressortübergreifend und weisungsunabhängig agiert. Darüber hinaus soll eine Stellungnahme seitens der Ressorts erfolgen, wenn diese von Empfehlungen des Beauftragten abweichen. 

2 Gesamtbewertung 

Wir begrüßen es, dass über diesen Gesetzentwurf das Ziel verfolgt wird, die Teilhabemöglichkeiten sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich für Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. Dies soll im privaten Bereich über das Instrument der sog. „angemessenen Vorkehrungen“, wie sie im öffentlichen Sektor bereits Anwendung finden, geschehen. Über die Ausweitung der „angemessenen Vorkehrungen“ auf den privaten Bereich werden Vorgaben aus der UN-BRK umgesetzt. Viele andere Länder tun dies bereits, daher ist es gut, dass jetzt auch in Deutschland eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. 

Auch die Schaffung eines Bundeskompetenzzentrums für Leichte Sprache und Deutsche Gebärdensprache soll zu besseren Teilhabemöglichkeiten führen. Darüber hinaus soll es eine Stärkung des Amtes des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen geben. All diese Schritte begrüßen wir ausdrücklich. 

Leider wird jedoch mit den im vorliegenden Referentenentwurf getroffenen Regelungen die Barrierefreiheit in Deutschland nicht strukturell erhöht werden. Barrierefreiheit ist aber eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Bereits heute haben viele Unternehmen und Anbieter von Waren und Dienstleistungen das Potenzial einer verbesserten Barrierefreiheit für ihr Unternehmen und ihr Geschäftsleben erkannt. Sie haben erkannt, dass sie über Barrierefreiheit einen großen Kundenstamm neu erschließen und auch binden können. Nicht zuletzt leben viele Unternehmen auch eine soziale, gesamtgesellschaftliche Verantwortung vor und Barrierefreiheit stellt für sie ein Qualitätsmerkmal dar. 

Dieses Gesetz soll aber all jene zu mehr Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen verpflichten, die dies eben nicht aus freien Stücken tun. Der vorliegende Gesetzentwurf vermag hier leider keine nennenswerten Anreize zu bieten. 

Insbesondere kritisieren wir scharf, dass der Referentenentwurf in § 7 vorsieht, dass alle baulichen Veränderungen oder Anpassungen von Waren und Dienstleistungen für Unternehmen als „unverhältnismäßige und unbillige Belastung“ gelten. Diese Formulierung lässt es zu, dass private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen in keiner Weise dazu angehalten werden, angemessene Vorkehrungen (mehr) vorzunehmen. Dies ist nicht nur eine Vorschrift, die wirtschaftliche Interessen klar vor den Minderheitenschutz und die Einhaltung von Menschenrechten stellt, sie ist auch ein fatales Signal dahingehend, dass Menschen mit Behinderungen als (wirtschaftliche) Belastung gesehen werden. Diese Regelung kritisieren wir scharf! Sie muss gestrichen werden. 

Wir begrüßen es, dass Menschen mit Behinderungen nach diesem Entwurf nun einen einklagbaren Anspruch auf die Vornahme angemessener Vorkehrungen im privaten Bereich bekommen sollen. Allerdings können sich Menschen mit Behinderungen nicht wirkungsvoll gegen Benachteiligung wehren. Das Benachteiligungsverbot entfaltet seine Wirkung nur, wenn Bürgerinnen und Bürger bei Nichteinhaltung einer Verpflichtung auch einen Anspruch auf Entschädigung haben. Ein solcher Anspruch fehlt jedoch im Gesetzentwurf für private Anbieter. Hier soll bei Verletzung eines Benachteiligungsverbotes lediglich im Wege einer Feststellungsklage die Feststellung einer Benachteiligung möglich sein. Eine solch weiche Regelung kritisieren wir ausdrücklich. 

Um niedrigschwellig eine Lösung bei Nichtgewährung angemessener Vorkehrungen zu finden, soll ein Schlichtungsverfahren angestrengt werden können. Dies kann in manchen Fällen zur Lösungsfindung beitragen und wird als Schritt in die richtige Richtung grundsätzlich begrüßt. 

Der SoVD erkennt die guten Ansätze in diesem vorliegenden Entwurf ausdrücklich an. Allerdings besteht an entscheidenden Stellen noch erheblicher Nachbesserungsbedarf, damit über dieses Gesetz tatsächlich zu einem selbstbestimmteren Leben von Menschen mit Behinderungen beigetragen werden kann. 

3 Im Einzelnen 

Im Folgenden wird auf einzelne Vorschriften im vorliegenden Referentenentwurf eingegangen. 

Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt (§ 7 Abs. 1 BGG -Neu) 

Nach § 7 Abs. 1 darf ein Träger öffentlicher Gewalt Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. 

SoVD-Bewertung: Diese Vorschrift ist richtig und gut. Allerdings sollte das Benachteiligungsverbot auch für öffentliche Stellen im Sinne des § 12 BGG gelten. Die Vorschrift ist um öffentliche Stellen zu ergänzen. 

Benachteiligungsverbot privater Unternehmen (§ 7 Abs. 2 BGG-Neu) 

§ 7 Abs. 2 schreibt ein Benachteiligungsverbot von Unternehmern für bewegliche Güter vor. Er darf Menschen mit Behinderungen beim Zugang zu und der Versorgung mit diesen Gütern und Dienstleistungen nicht benachteiligen. 

SoVD-Bewertung: Diese Erweiterung des Benachteiligungsverbotes wird sehr begrüßt, allerdings schreibt sie dies hier nur für bewegliche Güter vor. Dies muss aber auch für unbewegliche Güter wie Immobilien etc. gelten und muss darum ergänzt werden. 

Vorliegen eines Benachteiligungsverbots (§ 7 Abs. 3 BGG-Neu) 

§ 7 Abs. 3 beschreibt, wann Benachteiligungen im Sinne dieses Gesetzes vorliegen. Mitumfasst sind hier Träger öffentlicher Gewalt wie auch Wirtschaftsakteure. 

§ 7 Abs. 3 Nr. 2 geht auf gesetzliche Verpflichtungen zur Barrierefreiheit ein. In § 7 Abs. 3 Nr. 3 werden die sog. „angemessenen Vorkehrungen“ aufgegriffen, die nach Art. 2 UN-BRK auf den Einzelfall bezogene Maßnahmen sind, die geeignet sind, eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. 

Die Neuregelung schreibt in diesem Entwurf fest, dass angemessene Vorkehrungen nur vorgenommen werden müssen, wenn diese für den Verpflichteten keine unverhältnismäßige und unbillige Belastung darstellen. 

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 S. 3 gelten für Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen anbieten, alle baulichen Veränderungen, sowie Änderungen an Gütern und Dienstleistungen als unverhältnismäßige, unbillige Belastung. 

SoVD-Bewertung: Die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 wird grundsätzlich begrüßt. Allerdings sollte es eigentlich keiner Norm bedürfen, die darauf hinweist, dass ein Verstoß gegen Vorschriften der Barrierefreiheit ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot darstellt. Hintergrund dessen ist natürlich die Vorschrift des Abs. 6 des § 7, auf die später eingegangen wird. 

Grundsätzlich begrüßt der SoVD sehr, dass im Referentenentwurf in Nr. 3 des § 7 Abs. 3 das Instrument der „angemessenen Vorkehrungen“ in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. 

Damit gibt es dann auch im deutschen Recht eine Rechtsgrundlage für angemessene Vorkehrungen, welche es in vielen anderen Ländern seit vielen Jahren bereits gibt. Angemessene Vorkehrungen sind in der UN-BRK festgeschrieben als „notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem besonderen Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichwertig mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen und ausüben können“ (Art. 2 Abs. 2 UN-BRK). Angemessene Vorkehrungen können dabei z.B. das Vorlesen einer Speisekarte für eine sehbehinderte Person oder das Verrücken eines Stuhles im Restaurant für eine mobilitätseingeschränkte Person oder auch das Zur-Verfügung-Stellen einer mobilen Rampe sein. Diese genannten Beispiele bedeuten keine bis marginale finanziellen Aufwendungen – häufig sind es auch Handlungen, die man im gesellschaftlichen Zusammenleben als sozialadäquates Verhalten bezeichnen könnte. Diese angemessenen Vorkehrungen können für Menschen mit Behinderungen aber sehr wesentlich sein und das Leben dieser Person wesentlich erleichtern. 

Die Vornahme dieser sog. „angemessenen Vorkehrungen“ darf für den in Anspruch genommenen Verpflichteten keine unverhältnismäßige und unbillige Belastung darstellen. Wann eine unbillige und unverhältnismäßige Belastung vorliegt, entscheidet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, wie etwa der Höhe des finanziellen Aufwands oder der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Eine solche Einschränkung vorzunehmen, ist per se nicht zu beanstanden. 

Wie verhält es sich aber, wenn – auch nur kleine – bauliche Veränderungen, wie etwa das Anbringen von Haltegriffen, erforderlich sind? Diese sind auch nicht mit großem finanziellen Aufwand verbunden, können für Menschen mit Behinderungen aber eine große Erleichterung sein und sollten als angemessene Vorkehrung gelten, welche auch einklagbar ist. 

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 sind alle baulichen Veränderungen sowie Änderungen an Gütern und Dienstleistungen unverhältnismäßige und unbillige Belastungen. Diese Vorschrift aus dem Entwurf ist sehr problematisch und muss dringend gestrichen werden. 

Diese Vorschrift birgt die Gefahr, dass sich Unternehmen allzu schnell der Pflicht entziehen können, angemessene Vorkehrungen vorzunehmen und damit zur Barrierefreiheit beizutragen. 

Dies nach Ansicht des SoVD auch trotz der Tatsache, dass § 7 Abs. 3 Nr. 2 des Entwurfes vorschreibt, dass gegen eine gesetzliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit nicht verstoßen werden dürfe. Die Übergänge von „angemessenen Vorkehrungen“ zur Barrierefreiheit sind fließend (s. Beispiel Haltegriffe). 

Bliebe es bei dieser Vorschrift, so könnte jedes Unternehmen sich auf § 7 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 BGG des Entwurfes berufen und könnte bei jeder Aufforderung zur Beseitigung von Barrieren behaupten, es handele sich um „angemessene Vorkehrungen“ und zu diesen sei man als Unternehmen nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 BGG nicht verpflichtet. 

Ließe man diesen pauschalen Ausschluss im Gesetz, so wäre dies nach Ansicht des SoVD eine klare Bevorzugung der Wirtschaft vor den Menschenrechten von Menschen mit Behinderungen. 

Als SoVD sehen wir hier die Grundrechte von Menschen mit Behinderungen aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verletzt. Des Weiteren sehen wir darin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 der UN-BRK. Danach ist jede Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verboten und die Vertragsstaaten haben wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung zu garantieren. 

Auch wenn Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates sind, so haben sie Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung des einfachen Rechts. Ziel dieses Gesetzes ist es ja gerade, die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit bzw. zu mehr Verpflichtungen zur Vornahme von angemessenen Vorkehrungen zu bringen. Da können Unternehmen nicht pauschal ausgenommen werden. 

Der Gesetzgeber hat bei Erlass von Gesetzen den Gleichheitsgrundsatz zu beachten. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG schreibt ein Fördergebot des Staates vor, wonach Ungleichheiten zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen möglichst zu beseitigen sind und auf eine volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen hinzuwirken ist. Hier ist eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Nachteil von Menschen mit Behinderungen und den sonstigen öffentlichen und privaten Belangen. Als widerstreitende Interessen der Unternehmen können hier die Grundrechte aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und die Freiheitsrechte aus Art. 2 GG angeführt werden. Nach Ansicht des SoVD ist aber ein pauschaler Ausschluss zur Vornahme von angemessenen Vorkehrungen für Unternehmen ein klarer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S. 2 und Art. 5 Abs. 2 der UN-BRK. 

Diese Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 dieses Entwurfes setzt auch ein fatales Signal in die Gesellschaft. Es wird mit der Vorschrift suggeriert, dass Menschen mit Behinderungen eine (wirtschaftliche) Belastung seien. Denn wenn alle Maßnahmen zur Förderung der Barrierefreiheit und damit zur Erleichterung des Lebens mit einer Behinderung eine wirtschaftliche Belastung für Unternehmen darstellen sollen, sollen Menschen mit Behinderungen aus all diesen Bereichen rausgehalten werden. 

Der SoVD fordert, wie geschrieben, die Streichung des S. 2, zumindest sollte aber eine Abschwächung der Einschränkung auf „erhebliche bauliche Änderungen“ aufgenommen werden. 

Beschränkung des Rechtsschutzes (§7 Abs. 6 BGG-Neu)

§7 Abs. 6 enthält eine Beschränkung des Rechtsschutzes ausschließlich aufeine Feststellungsklage.

SoVD-Bewertung: Eine Beschränkung auf die Feststellungsklage, wie sie §7 Abs. 6 BGG vorsieht, ist sehr zu kritisieren. Es reicht nicht aus, über eineFeststellungsklage feststellen zu lassen, dass gegen eine bestehende gesetzlichePflicht verstoßen wurde. Eine bloße Feststellung wird letztlich nicht zu mehrBarrierefreiheit führen. Auch wenn gerichtlich festgestellt worden sein sollte,dass gegen eine gesetzliche Pflicht verstoßen wurde, wird dies nicht zu künftigrechtskonformer Handlung führen, wenn die Nichteinhaltung von Vorschriften nichteinen Entschädigungsanspruch nach sich zieht. Eine Rechtsverletzung muss hierdringend auch einen Schadensersatzanspruch nach sich ziehen. Zumindest müssteim Gesetz festgeschrieben werden, dass anderweitige Schadensersatzansprücheunberührt bleiben.

Zulässige unterschiedliche Behandlung und Beweislast (§§7a, 7b BGG-Neu) 

§7a legt fest, wann eine unterschiedliche Behandlung von Menschen mit gegenüber Menschen ohne Behinderungen zulässig sein kann. Abs. 2 des § 7a legt fest,dass eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes nicht gegeben sei, wenn fürdiese Benachteiligung ein sachlicher Grund vorliege. Nach § 7b BGG-Neu trägt derUnternehmer die Beweislast für das Vorliegen eines sachlichen Grundes.

SoVD-Bewertung: Die in § 7b neu geregelte Beweislastumkehr begrüßt der SoVD. Sie stellt für Menschen mit Behinderungen eine erhebliche Erleichterung dar. 

Herstellung der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr (§8 BGG-Neu) 

Nach § 8 BGG-Neu sollen alle bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten undStiftungen des öffentlichen Rechts ihre baulichen Barrieren abbauen, sofern derAbbau nicht eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung darstellt. Bis 2045sind die Barrieren festzustellen und abzubauen. Abs. 7 des § 8 legt fest, dass landesrechtliche Bestimmungen von den Verpflichtungen unberührt bleiben.

SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt, dass hier eine Festlegung getroffen wird, bis wann Gebäude des öffentlichen Rechts barrierefrei sein sollen. Eine Frist bis 2045 zur Feststellung von Barrieren halten wir jedoch für viel zu lang. Hier muss der Bund deutlich schneller seiner Verpflichtung nachkommen, Bauten des öffentlichen Bereichs barrierefrei zu gestalten. 

Gestaltung von Bescheiden und Verordnungen (§10 BGG-Neu) 

Nach § 10 BGG-Neu müssen Träger der öffentlichen Gewalt bei der Gestaltungaller im Verwaltungsverfahren relevanten Dokumente eine Behinderung vonMenschen berücksichtigen.

SoVD-Bewertung: Diese Neuregelung wird als Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen im Verwaltungsverfahren begrüßt. 

Verständlichkeit und Leichte Sprache (§11-Neu)

§11 BGG regelt, dass Träger der öffentlichen Gewalt in Leichter Sprachekommunizieren und auf Verlangen Dokumente in einfacher und verständlicherSprache erläutern sollen. Darüber hinaus wird eine Hinweispflicht für Trägerder öffentlichen Gewalt in Bezug darauf geregelt. Auch bei Gefahren für Lebenund Gesundheit im Bundesgebiet sollen Informationen in Leichter Sprachebereitgestellt werden.

SoVD-Bewertung: Diese Vorschrift mit ihren darin enthaltenen Vorschriften wird vom SoVD begrüßt. Damit werden die Rechte von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und seelischen Belastungen gestärkt. Leichte und verständliche Sprache ist auch für Menschen mit Migrationsgeschichte, die der deutschen Sprache (noch) nicht so mächtig sind, eine Erleichterung für die Kommunikation und ist zu begrüßen. Allerdings ist zu kritisieren, dass diese Vorschrift eine „Soll-Vorschrift“ ist. Hier ist eine größere Verbindlichkeit zu empfehlen, sodass Menschen mit kognitiven Einschränkungen und seelischen Behinderungen eine selbstbestimmte Teilhabe ermöglicht wird. Vor dem Hintergrund der leider zunehmenden Naturkatastrophen in unterschiedlicher Hinsicht ist es sehr zu begrüßen, dass auch hier die Rechte von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und seelischen Behinderungen gestärkt werden. 

Menschen mit Behinderungen in Begleitung durch Assistenzhunde (§ 12e BGG) 

Die Vorschrift des § 12e BGG regelt das Zutrittsrecht von Menschen mit Behinderungen in Begleitung eines Assistenzhundes. 

SoVD-Bewertung: Für das Zutrittsrecht für Menschen mit Behinderungen in Begleitung eines Assistenzhundes existiert nun mit § 20 Abs. 1 BGG neu eine Übergangsregelung. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen keine Zulassung für eine Ausbildungsstätte erforderlich. Dies ist zu begrüßen und sachgerecht, da es bisher an den erforderlichen Strukturen für eine Zulassung von derartigen Ausbildungen fehlt. 

Bundesfachstelle für Barrierefreiheit (§ 13 BGG-Neu) 

Bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit wird eine Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von Informationstechnik eingerichtet. Ihre Aufgaben werden in § 12c BGG-Neu beschrieben. 

SoVD-Bewertung: Grundsätzlich wird eine Überwachung der Barrierefreiheit in der Informationstechnik vom SoVD begrüßt. In Bezug auf die Überwachung ist zu kritisieren, dass die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit lediglich Beratung anbietet, wobei die Ausweitung der Institutionen, die Beratung einholen können, grundsätzlich begrüßt wird (§ 13 Abs. 2 BGG-Neu). Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit ist dabei keine Überwachungsstelle, die aktiv gegen Verstöße vorgehen kann. Des Weiteren ist zumindest problematisch, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Fachaufsicht über die Überwachungsstelle führt (§ 12c Abs. 3). Um eine Unabhängigkeit herzustellen, wäre zu überlegen, die Überwachung einem unabhängigen Verband zu übertragen. 

Die Einrichtung eines Bundeskompetenzzentrums für Deutsche Gebärdensprache und Leichte Sprache bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit (§ 13 Abs. 3-Neu) wird ausdrücklich begrüßt. 

Vertretungsbefugnisse in gerichtlichen Verfahren (§§ 14, 15 BGG-Neu) 

§ 14 BGG legt fest, dass ein nach § 15 Abs. 3 anerkannter Verband beauftragt werden kann, Rechtsbehelfe für eine Individualperson zu beantragen (sog. Prozessstandschaft). 

SoVD-Bewertung: Die Neuregelung zur Prozessstandschaft in § 14 BGG-Neu wird ausdrücklich begrüßt. Allerdings ist zu kritisieren, dass das Verbandsklagerecht auf die Feststellungsklage beschränkt ist. Verbände sollten auch auf Beseitigung und Unterlassen klagen können, um über die Verbandsklage einen effektiven Rechtsschutz zu erreichen. 

Schlichtungsstelle und -verfahren (§16 BGG-Neu) 

Gem. § 16 Abs. 2 Nr. 3 BGG-Neu kann künftig auch bei Streitigkeiten mit Unternehmen ein Schlichtungsverfahren angestrengt werden.

SoVD-Bewertung: Diese Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie bietet eine zusätzliche, niedrigschwellige und kostengünstige Möglichkeit für Menschen mit Behinderungen, ihre Rechte auf angemessene Vorkehrungen und Barrierefreiheit durchzusetzen. Zu kritisieren ist allerdings, dass der zu erwartende Anwuchs an Schlichtungsverfahren nur mit jeweils einer Leitungs-, Referenten- und Sachbearbeiter-Stelle bedacht wird. Hier ist zu erwarten, dass mehr Personalstellen nötig sein werden. 

Nach § 16 Abs. 7 BGG-Neu wird ein Schlichtungsverfahren als erfolglos durchgeführt bewertet, wenn innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Diese Fiktion ist zu begrüßen. 

Aufgaben und Befugnisse der beauftragten Person für die Belange von Menschen mit Behinderungen (§18 BGG-Neu) 

Nach § 18 Absatz 2-Neu ist der oder die Beauftragte für die Belange von Menschenmit Behinderungen frühzeitig in Gesetzesvorhaben o.a., welche die Belange vonMenschen mit Behinderungen betreffen, einzubeziehen. Wird von der Stellungnahmeabgewichen, sind die Gründe darzulegen.

SoVD-Bewertung: Diese Vorschrift ist grundsätzlich gut, sie stärkt die Position des oder der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Auch die Befugnis, Stellungnahmen öffentlicher Stellen einzufordern, wird ausdrücklich begrüßt. 

Berlin, 8. Dezember 2025 

DER VORSTAND
Abteilung Sozialpolitik